Als Pflanzenfresser besitzen Kaninchen ein hoch kompliziertes Verdauungssystem. Sie haben äußerst schwache Magenmuskeln, weswegen die Nahrung nur sehr träge und kaum eigentätig durch den Magen-Darm-Trakt transportiert wird. Kaninchen haben einen so genannten „Stopfmagen“ bzw. „-darm“: Das gesamte Magen-Darm-System ist beim Kaninchen jederzeit befüllt und zu seinem Erhalt muss in regelmäßigen Abständen und häufig immer wieder Nahrung nachgeschoben werden, damit weiter unten liegende Nahrung auch entsprechend weitertransportiert wird. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Kaninchen viele kleine Mahlzeiten mit viel Rohfaser am Tag zu sich nehmen und kein allzu sättigendes Futter bekommen (wie getreidehaltiges Trockenfutter) – die Sättigung würde zu lange Fresspausen zur Folge haben, welche die Verdauung belasten. Die Verdauung des Kaninchens funktioniert nur in eine Richtung – Kaninchen können sich nicht übergeben! Was also einmal geschluckt wurde wie z. B. Haare, muss dann leider auch den gesamten Weg hinter sich bringen.
Ursachen einer Magenüberladung
Die Ursachen einer Magenüberladung sind vielfältig. Häufig stellen Fütterungsfehler oder Zahnerkrankungen die Auslöser dar. Rohfasermangel (zu wenig Heu/Gras) oder zu viel Trockenfutter bzw. quellfähiges Futter führen über kurz oder lang zu Magen-Darm-Problemen. Zusätzlich fördern Bewegungsmangel und Übergewicht Verdauungsprobleme. Kaninchen benötigen neben guter Fütterung immer Bewegung und Dauerauslauf, um Kreislauf und Verdauung in Schwung und den Körper fit und schlank zu halten. Der Futterbrei im Magen dickt vor allem bei trockenem Futter sehr schnell an. Es ist daher wichtig, dem Tier genügend Wasser zur Verfügung zu stellen. Sollte Ihr Kaninchen wenig Wasser zu sich nehmen, achten Sie umso mehr auf eine Fütterung mit wasserhaltigen Gemüsesorten – natürlich nur, wenn ihr Kaninchen diese verträgt und nicht mit Durchfall reagiert. Hier heißt es, einen guten Mittelweg zu finden, mit dem Ihr Tier gut klar kommt.
Bei Zahnerkrankungen kann eine Beeinträchtigung der mechanischen Zerkleinerung der Nahrung für eine Magenüberladung verantwortlich sein. Das Kaninchen schluckt zu große Stücke, die im Magen nicht richtig verdaut und nicht ordentlich weitertransportiert werden können.
Ebenso können verschluckte Haare dazu führen, dass sich im Magen mit dem Futterbrei feste Klumpen bilden, die den Magenausgang verstopfen.
Die Verdauung kann außerdem gestört sein, wenn Parasiten den Darm der Tiere befallen haben oder die Magen-Darm-Flora aus diversen Gründen nicht mehr im Gleichgewicht ist.
Symptome
Magenüberladungen verlaufen beim Kaninchen in der Regel schnell und dramatisch. Das meist zuerst bemerkte Anzeichen ist die Nahrungsverweigerung aufgrund der Schmerzen. Neben dem damit verbundenen typischen Zähneknirschen sind die Tiere oft unruhig und atmen flach. Die Kaninchen versuchen häufig, eine wenigstens leicht entlastende Haltung einzunehmen und wechseln immer wieder von liegenden zu sitzenden Positionen oder drücken das Hinterteil auf den Boden. Innerhalb kurzer Zeit spannt sich die Bauchdecke stark an – die Kaninchen bekommen einen immer größer werdenden, harten Kugelbauch. Unbehandelt führt die Magenüberladung innerhalb kurzer Zeit zum Tod.
Eine Magenüberladung ist IMMER ein NOTFALL. Ein Tierarzt/Nottierarzt ist umgehend aufzusuchen!
Diagnose
Der Tierarzt kann den schmerzhaften, angespannten Bauch schnell ertasten. Zur Absicherung und Differenzierung ist immer ein Röntgenbild anzufertigen, denn bei einer Magentympanie (Aufgasung) treten ähnliche Symptome auf.
Die Magenüberladung ist eindeutig zu erkennen: Der gesamte Magen ist aufgequollen und mit Futterbrei gefüllt, der sich weißlich auf dem Röntgen darstellt. Bei einer Tympanie hingegen wäre die Luft im Magen schwarz zu erkennen. Bei der Magenanschoppung wird dieser Futterbrei, der sich mit der Zeit immer weiter verfestigt, nicht weiter in den Darm transportiert. Aus diesem Grund sind im Darm oft nur noch Futterreste und Luft zu erkennen. Die Magenüberladung ist gegebenenfalls von einer Verstopfung z. B. aufgrund eines Bezoars (Haarballen) zu unterscheiden.
Magenüberladung, Magentympanie und die Verstopfung ähneln sich in Symptomatik und Therapie. Es ist daher IMMER ein Röntgen zur Differentialdiagnose anzufertigen. Eine genaue Diagnose ist wichtig, da bei den verschiedenen Magenerkrankungen jeweils andere Aspekte beachtet werden müssen und die Therapieschwerpunkte unterschiedlich sind. Zudem macht es immer Sinn, sicherheitshalber eine Kotprobe der Tiere auf Kokzidien, Hefen und Würmer zu untersuchen. Der Kot kann völlig normal aussehen, lassen Sie sich deswegen nicht von einer Untersuchung abbringen.
Sofortmaßnahmen
Halten Sie ein kreislaufschwaches Tier immer warm. Eine eingewickelte Wärmeflasche oder ein Snuggle Safe und eine Decke sind in diesem Fall ein Muss. Achtung: Rotlicht gelangt aufgrund des Fells nicht auf die Haut des Kaninchens und ist im Notfall nicht ausreichend. Der zweite Aspekt ist Flüssigkeit. Ein paar Milliliter Fencheltee wirkt entblähend, die Wärme regt den Kreislauf an und Flüssigkeit weicht den Futterbrei auf. Massieren Sie das Tier vorsichtig. Kreisende Bewegungen von vorne nach hinten helfen, den Klumpen im Magen etwas aufzulösen, und können den Tieren zumindest ein wenig Erleichterung verschaffen. Lefax-Suspension bzw. Sab Simplex, Rodikolan-Tropfen oder Colosan sind Präparate, die ebenfalls positive Effekte haben. Sie entblähen, weichen den Futterbrei auf; letztere entkrampfen auch leicht. | ||
Beim Tierarzt
Der Tierarzt hat nun weitere Möglichkeiten, ihrem Kaninchen zu helfen. Zur Stabilisierung des Kreislaufs wird eine Infusion gegeben. Im Akutfall sollte diese intravenös erfolgen, da eine subkutane Infusion (unter die Haut) vom niedrigen Kreislauf nicht mehr umgesetzt werden kann. Das pflanzliche Präparat Coffea eignet sich ebenfalls zur Anregung des Kreislaufs ebenso wie 3 Tropfen schwarzer Kaffee oder schwarzer Tee (der aber MAXIMAL 3 Minuten hat ziehen dürfen).
Kaninchen mit Magenüberladung leiden unter extremen Schmerzen. Es ist immer ein Schmerzmittel zu geben (auf keinen Fall das krampflösende Mittel Buscopan, da es zur Muskelerschlaffung führt und hier der Behandlung entgegenwirken würde). Viele Tierärzte verwenden zur Therapie von Magenüberladung den Wirkstoff Metoclopramid. Er fördert die Magen-Darm-Motilität und regt das ganze System zum Weitertransport an. Da Kaninchen wie beschrieben einen kaum eigentätigen Magen haben, verwenden viele eine sehr hohe Dosis, damit das Präparat überhaupt anschlägt. Es muss an dieser Stelle allerdings darauf hingewiesen werden, dass sich hier die Geister scheiden. Es gibt Tierärzte, die bei einer Magenüberladung mittleren Schweregrades zunächst mit einer niedrigen Dosierung anfangen und schauen, ob das Kaninchen darauf reagiert und dementsprechend die Dosis erhöhen oder senken. Im Regelfall sind auch keine so häufigen Gaben nötig. Wenn das Mittel wirkt, tut es dies nach den ersten Gaben eigentlich schnell.
Sobald das System wieder in Gang ist, ist es vielleicht noch ein oder zweimal zu geben, aber eben so schnell wie möglich ausklingen zu lassen. Bei allen Störungen des Magen-Darm-Systems sollte ein Probiotikum wie Bird Bene Bac gegeben werden.
Die nächsten Tage
Neben den verschiedenen Medikamenten ist Massage das A und O. Solange das Kaninchen noch inappetent ist und vor allem der Futterklumpen noch im Magen steckt, müssen Sie alle paar Stunden etwas Flüssigkeit sowie gegebenenfalls die genannten sanften Präparate (Lefax Susp., Colosan, evtl. Parafin- oder Rapskernöl, Schmerzmittel) mehrmals täglich geben und immer wieder massieren! Leider ist es nötig, dass die Kaninchen bei Futterverweigerung beigefüttert werden. Bei einer Magenüberladung ist hierbei selbstverständlich extreme Vorsicht geboten. Rühren Sie den Futterbrei (z. B. Critical Care) flüssig an, sodass Critical Care nur als Beigabe im warmen Fencheltee schwimmt. Verteilen Sie die Gaben auf möglichst viele kleine Mahlzeiten. Wenn die Kaninchen wieder selbst fressen, ist die Beifütterung einzustellen. Kontrollieren Sie den Kotabsatz der nächsten Tage genau.
Nachsorge
Stehen die Zähne im Verdacht, der Auslöser gewesen zu sein, sind diese zu korrigieren. Manchmal lassen sich die Probleme mit einer Behandlung beheben, in anderen Fällen muss man einen sinnvollen Rhythmus regelmäßiger Zahnkorrekturen finden. Wurden bei der Kotprobe Parasiten nachgewiesen, müssen diese entsprechend bekämpft werden. Liegt die Ursache in der Fütterung an sich, ist diese langsam umzustellen. In Zeiten des Fellwechsels ist darauf zu achten, dass die Tiere regelmäßig gebürstet werden. Unter Umständen muss das Verdauungssystem beim Abtransport der Haare unterstützt werden.
Ewringmann: Leitsymptome beim Kaninchen
www.kaninchenweb.de
www.wikipedia.org
www.diebrain.de