Ohrenentzündungen beim Kaninchen - ein Erfahrungsbericht
Mal wieder eines der Themen, mit denen ich mich nie wirklich auseinandergesetzt hatte, bis zu dem Zeitpunkt, an dem es „uns“ erwischt hat. Oder genauer gesagt mal wieder mein Sorgenkind Edison. Eigentlich begann es wie die meisten Geschichten eher harmlos: Beim Streicheln fiel uns ein Knubbel an der Schläfe auf. Nicht schmerzempfindlich und so kaum zu sehen bereitete uns dieser Tatbestand zunächst nur mäßigen Kummer. Da wir ohnehin mit Mogli zu einem Kontrolltermin mussten, haben wir Edison gleich mit eingepackt und ab ging es mal wieder zum Tierarzt. Was dann allerdings auf mich zukam, hätte ich mir in meinen schlimmsten Träumen nicht gedacht.
„Das sieht gar nicht so gut aus, das müssen wir öffnen“, war die sofortige Reaktion der Tierärztin. Und schon begab sich Eddi auf den Weg ins Land der Träume und wenige Zeit später setzte die Tierärztin vorsichtig Schnitt um Schnitt, um an die unbekannte Kapsel zu gelangen. Wir befürchteten schon zu diesem Zeitpunkt, dass es sich um einen mit Eiter gefüllten Abszess handeln würde, denn bei der vorherigen Punktierung kam leider keine Flüssigkeit zu Tage. Schnitt um Schnitt ging es also durch das Muskelgewebe und dann waren wir am Ziel: Ein dicker Abszess mit Durchgang zum Gehörgang, dessen Eiter sich zentimeterweise herausdrücken ließ. Ich war geschockt! Zum einen hatte ich vorher nur von dem pastenartigen Eiter der Kaninchen gehört, aber diese wirklich klebrige, dicke Paste aus dem Kopf seines Tieres kommen zu sehen, war dann doch fast zuviel. Nachdem die Tierärztin die Abszesshülle ausgeschabt hatte und wir noch zwei Abstriche genommen hatten, nähte sie nur einen Teil wieder zu: Abszesse sollten geöffnet bleiben, damit sie täglich mehrmals von nachwucherndem Eiter gesäubert werden können und die Wunde somit eine Chance hat, sich von innen heraus zu schließen.
Nach dieser ersten Versorgung war natürlich die Frage nach der Ursache dieses Abszesses. Eine Bisswunde konnte ausgeschlossen werden, da der Abszess eindeutig innerlich war. Verbunden mit dem Gehörgang nahmen wir diesen also als Anhaltspunkt und waren damit auch im Prinzip schon am Boden unserer Ursachenforschung: Eine dicke eitrige Schicht stand in beiden Ohren vorm Trommelfell – Diagnose: Otitis. In unserem Fall war es wieder mal Glück im Unglück: Eddi hatte eine Otitis externa, also eine Entzündung der äußeren Gehörgänge. Es gibt allerdings auch die Otitis media/interna, ergo jene des Innenohres.
Dass Eddi gerade auch als Widder zu Ohrenproblemen neigen würde, war mir vorher schon bewusst. Aus diesem Grund hatte ich auch bei jeder Kontrolle immer darauf geachtet, dass seine Ohren gecheckt wurden – bis dato immer anstandslos. Widderkaninchen haben durch die hängenden Ohren durchaus eine Neigung zu dieser Erkrankung, da der Gehörgang nicht gut „belüftet“ wird und sich auch die Ohrenpflege für die Kaninchen selbst oft schwieriger gestaltet, als bei den Stehohrkollegen. Ich musste allerdings lernen, dass es noch eine weitere, schwerwiegende Ursache für solche Ohrenentzündungen gibt: Pasteurellen und Co. Die Erreger des allseits bekannten Kaninchenschnupfens können ihren Weg auch in andere eitrige Erkrankungen finden. Bei allen Erkrankungen, bei denen Eiter im Spiel ist, empfiehlt sich deswegen immer eine Erregerbestimmung. Die Diagnose hat mich natürlich erst einmal geschockt. Keines meiner Tiere hatte bis dato Anzeichen von Schnupfen gehabt, aber das Ergebnis war eindeutig: Pasteurellen und Pseudomonaden. Eine Erkrankung, deren Symptome sich zwar meistens in Schach halten lassen, aber die unheilbar und hochgradig ansteckend ist. Aber wenigstens kannten wir nun unseren Feind. Natürlich können sich solche eitrigen Entzündungen auch, wie bei Edison, bemerkbar machen, indem der Eiter so massiv drückt, dass er sich direkt durch das Gewebe einen Weg nach draußen sucht und man einen Abszess feststellt. Das anatomische Problem ist die Lage des Trommelfells. Im Prinzip müsste der Eiter senkrecht nach oben, um aus dem Kaninchenohr zu gelangen. Dass das natürlich gerade bei einer klebrigen Paste schwierig ist, ist klar. Des Weiteren haben Kaninchen in ihren Ohren diverse Verzweigungen und Knubbelchen, die einen Abtransport zusätzlich erschweren.
Bei der Diagnose ist es stark davon abhängig, wo sich der Entzündungsherd befindet und wie weit die Entzündung schon fortgeschritten ist. Äußere Infektionen kann der Tierarzt mittels Otoskop feststellen. Bei Verdacht auf innen liegende Probleme kann ein Röntgenbild Aufschluss geben. Stellen, an denen sich eigentlich Luft – auf einem Röntgenbild schwarz zu erkennen – befinden sollte, wären aufgrund von Eiter gräulich verfärbt, auch „verschattet“ genannt. Bei Eddi war keine so genannte „Bullaverschattung“ festzustellen. Den Kaninchen selbst muss man nicht zwingend etwas anmerken. Edison beispielsweise zeigte keinerlei Verhaltensänderungen. Normalerweise sind solche Erkrankungen mit Schmerzen verbunden, weswegen die Tiere schnell das Fressen einstellen, mit den Zähnen knirschen und apathisch wirken. Auch Kopfschiefhaltung oder abgeklappte Ohren können auf Infektionen des Ohres hinweisen. Bei Tieren mit bereits diagnostiziertem Kaninchenschnupfen ist aus diesem Grund immer auch ein besonderes Augenmerk auf die Ohren zu legen. Augen- und Nasenausfluss sind ebenfalls Symptome, die für eine infektiöse Erkrankung im Kopfbereich sprechen können.
Die meisten Tierärzte werden eine antibiotische Behandlung empfehlen. Hierzu sollte in jedem Falle zur Erregerbestimmung ein Antibiogramm angefertigt werden, um die Medikamente sinnvoll einsetzen zu können. Gerade Pseudomonaden sind wie auch in unserem Falle oft schon multiresistent, sprich wenn überhaupt, dann wirken nur wenige Antibiotika gegen sie. Auch stehen die Heilungsaussichten bei einer reinen Behandlung über Medikamente eher schlecht, da der infektiöse Eiter ständig weiter gesundes Gewebe angreift und sich auch in die Knochen fressen kann.
Es ist also eigentlich unerlässlich, die infizierten Stellen möglichst zu säubern und sauber zu halten. Sollte der Eiter im äußeren Gehörgang liegen, sich noch nicht festgesetzt haben und das Tier ein gutes Allgemeinbefinden aufweisen, kann man durchaus zuerst versuchen, mit beispielsweise Surolan, einem speziellen Medikament gegen Ohrenentzündungen, zu arbeiten. Zuerst reinigt man natürlich die Ohren. Entweder verwendet man spezielle Kamille-Ohrreiniger oder gibt etwas lauwarme (Zimmertemperatur empfindet man bereits als kalt in den Ohren) Kochsalzlösung oder alternativ entzündungshemmenden Malvenblütentee in die Ohren, massiert es ein und lässt dann das Tier automatisch seinen Kopf schütteln. Sollte dies allerdings nicht helfen und der Eiter schon unaufweichbar dick sein, dass auch das Medikament gar nicht erst zum Entzündungsherd gelangt, empfiehlt sich das Säubern der Ohren unter Narkose. Unser Tierarzt hat Eddi mit reiner Inhalationsnarkose sediert und ihm eine geschlagene Dreiviertelstunde beide Öhrchen vorsichtig gereinigt. Hierzu existieren spezielle, feine Instrumente, die nicht jeder Tierarzt vor Ort hat.
Das Ergebnis war erstaunlich: Eddi, der seit Wochen meist schlapp war, hoppelte noch am gleichen Abend wieder fröhlich durchs Zimmer und mampfte endlich wieder mit gutem Appetit. Natürlich muss so etwas noch nachbehandelt werden, weswegen Eddi einige Zeit weiter Surolan einmassiert bekam und regelmäßige Kontrolltermine beim Tierarzt hatte.
Sollte die eitrige Entzündung bereits im Innenohr sitzen und/ oder das Trommelfell zerstört haben, ist die Prognose natürlich schlechter, aber je nach Fortschreiten der Erkrankung noch nicht aussichtslos. Erfahrene Tierärzte können unter Narkose einen gezielten Schnitt unter der Schläfe ansetzen und den Gang hinter dem Trommelfell öffnen. Sollten noch Heilungschancen bestehen, kann man diese Wundhöhle ebenso reinigen. Die Wunde muss dann mittels Drainagen offen gehalten, täglich gespült und in der Regel begleitend antibiotisch behandelt werden. Ob solch eine Operation Erfolg verspricht, ist im Einzelfall natürlich mit dem behandelnden Tierarzt durchzusprechen.
Auch Eddis Allgemeinbefinden schwankte zwischen „normal“ und „lustlos/ müde“. Begleitend können Infusionen und auch teilweise Zwangsernährung an der Tagesordnung stehen. Der Halter sollte sein Tier genau beobachten, inwieweit eine Therapie Sinn macht. Wir standen auch an manchen Tagen vor unserem kleinen Fellknäuel und fragten uns, ob wir das Richtige tun. Aber meistens hat er tapfer gefuttert, wenn auch nicht viel und uns gezeigt, dass er nun mal müde, aber sicher nicht „lebens“müde ist und so hätten wir ihn auch operieren lassen, hätte der Tierarzt unter Narkose festgestellt, dass auch das Innenohr betroffen gewesen wäre.
Eddi wird auch weiterhin eine Anfälligkeit für solche Entzündungen beibehalten. Durch den austretenden Eiter konnten sich die Pasteurellen natürlich besser verbreiten, sodass Eddi und Emma nun doch immer wieder mal leicht feuchte Näschen haben und niesen. Wir lassen sie dann ein Gemisch aus Kochsalzlösung mit Emser Salz inhalieren und sie genießen das total entspannt.
Wie schon erwähnt, sind die Ohrentropfen so lange zu geben, bis die Entzündung definitiv abgeheilt ist und schon eine Weile kein Eiter mehr nachkommt. Ebenso sind regelmäßige Kontrollen unabdingbar, um frühzeitig eine Neuerkrankung zu erkennen und um darauf reagieren zu können.
Infektiöse Erkrankungen stehen und fallen in der Regel mit dem körpereigenen Immunsystem. Eine artgerechte Haltung mit gesundem Frischfutter, Gesellschaft, viel Platz und wenig Stress ist die beste Nach- und auch wieder Vorsorge, die es für die Tiere gibt. Immungeschwächte Tiere kann man mit Paramunitätsinducern wie „Zylexis“ unterstützen.