Heino der kleine Kämpfer und seine schwere E.C.-Erkrankung
Heino, ein introvertiertes und eigensinniges weißes, ca. 1200 g schweres Löwenköpfchen, beeindruckte mich mit seinem Überlebenswillen. Zwischen seinen zwei Mädels fühlte er sich immer am wohlsten. Pfingstmontag 2021 schlug der Parasit aber mit voller Härte zu. Zuvor fiel mir auf, dass er weniger fraß. Ich schaute ihn mir von allen Seiten an, konnte jedoch nichts feststellen. Ungewöhnlich war nur, dass er meinen Finger ableckte. Das verwunderte mich etwas. Vielleicht wollte er mir so signalisieren, dass er Hilfe braucht. Da ich im Vorfeld bereits etwas über E. C. gelesen hatte, war mir am nächsten Tag sofort klar, was die leichte Kopfschiefhaltung bedeutete. Nach einigen Telefonaten fand ich glücklicherweise eine Praxis mit Notdienst und brachte Heino mit dem Taxi dorthin. Mein Verdacht bestätigte sich sehr schnell, hinzu kamen Nystagmus und Inappetenz. Der Tierarzt begann sofort mit der Behandlung, erklärte mir die nächsten Schritte, die Pflege, die Medikamentengabe.
Die Termine beim Tierarzt waren engmaschig, und die Behandlung dauerte ca. zwei Monate. Er bekam täglich ein Entwurmungsmittel und Antibiotikum. Bei den Tierarztbesuchen wurden ihm Injektionen und Infusionen mit Vitaminen zur Stärkung des Immunsystems verabreicht. Heino entwickelte eine schwere Form. Glücklicherweise ließen seine Mädels Amy und Lucy ihn in Ruhe; sie waren zwar irritiert und hielten Abstand, aber es gingen keinerlei Aggressionen von ihnen aus. Das Gehege räumte ich bis auf das Toiletten aus, legte Handtücher aus. Da Heino häufig neurologische Ausfälle hatte, wie sich im Kreis und um die eigene Achse drehen, war die Gefahr zu groß, dass er sich verletzen könnte. Er hatte sehr viel Durst, ein Nierenleiden konnte jedoch ausgeschlossen werden. Ich gab ihm zwischendurch immer mal wieder 100 % Karottensaft. Er wurde inkontinent, versuchte sich aber weiterhin zu putzen. Ich säuberte ihn regelmäßig mit Babyfeuchttüchern. Ihn zu baden, davon riet mir der Tierarzt zunächst ab – zu viel Stress. Und es galt, jeden Stress von Heino fernzuhalten. Daher fuhr ich nur mit dem Taxi zum Tierarzt. Heino hatte nach wie vor Appetit, den er auch nicht verlor. Er wurde aber wählerischer und ich gab ihm dann nur noch das, was er wollte, am liebsten Basilikum und Heidelbeeren. Trotzdem verlor er an Gewicht. Das niedrigste war knapp unter einem Kilo. Zur Förderung bestellte ich ihm getrockneten Bärenklau. Diesen nahmen mir alle Zwerge sehr gut ab.
Heino bedurfte der regelmäßigen Versorgung, Tag und Nacht, im Abstand von ein paar Stunden. Das Fenster verdunkelte ich, da Heino empfindlich auf das Tageslicht reagierte. Er saß überwiegend an derselben Stelle, bewegte sich kaum, war orientierungslos und fiel immer wieder um. Die Lähmungserscheinungen in den Hinterbeinen schränkten ihn sehr ein. Auf Anraten der Physiotherapeutin der Praxis versuchte ich immer wieder mal, sein Köpfchen in die andere Richtung zu drehen, was er kaum zuließ. Und beim Fressen stabilisierte ich seine Hinterbeine, aber die plötzlichen Drehungen ließen das kaum zu. Seine ganze Körperhaltung war total instabil.
Wichtig war auch die Hygiene im Gehege und außerhalb, vor allem, wenn es um die Versorgung der zweiten Gruppe ging. Ich beschränkte den Kontakt zu den anderen Fellnasen auf das Nötigste. Der Auslauf war nicht mehr möglich, und die Zimmertür hielt ich ständig geschlossen. Ich versuchte jeglichen Stress von den Zwergen fernzuhalten. Gefühlt war ich nur noch am Putzen und Waschen. Heino war ein Pflegefall und bedurfte der ständigen Versorgung und Beaufsichtigung. Jedes Geräusch ließ mich aufhorchen, und nach dem Rechten schauen. Die Drehungen verursachten auch eine Verletzung im Auge, die sich mit Augentropfen aber gut behandeln ließ. Nach einiger Zeit bekam er noch Durchfall. Trotz freiwilliger Nahrungsaufnahme musste ich Heino aufgrund des Gewichtsverlustes zusätzlich 5 mal täglich mit je 5 ml päppeln, was er bereitwillig zuließ, denn es schmeckte ihm.
Aufgrund der extremen Kopfschiefhaltung bekam Heino an zwei Tagen auch Kortison. Selbst der Tierarzt war von dem schweren Verlauf überrascht. Heino einzuschläfern musste thematisiert werden, denn sichtbare Fortschritte blieben auch nach drei Wochen kontinuierlicher Behandlung aus. Aber ich wollte ihn noch nicht aufgeben. Sein Appetit, ihn bei der Nahrungsaufnahme zu beobachten, dass er mir mit Lust aus der Hand fraß und wenn ich ihn anschließend auf meinem Schoß auf den Rücken liegend am Bauch und untenrum mit Feuchttüchern säuberte und er währenddessen versuchte, sich ebenfalls zu putzen, so, als wolle er mir helfen, zeigte mir seinen Überlebenswillen und dass er noch nicht bereit war zu gehen.
Ein Kompromiss mit dem Tierarzt nach drei Wochen Behandlung, noch ein Wochenende abzuwarten, brachte die Wende. Ich wusste, was Heino bevorstand, sollte sich sein Zustand in den kommenden zwei Tagen nicht verbessern. Abends saß ich weinend neben ihm und bat ihn um ein „Zeichen“, welches mir sagen sollte, was ich jetzt tun soll. Ich war verzweifelt und hatte Angst davor, die falsche Entscheidung zu treffen. Vielleicht ist es Zufall, Einbildung, aber vom nächsten Tag an ging es sichtlich bergauf. Heino ging es von Tag zu Tag besser, er nahm zu, die neurologischen Ausfälle nahmen ab. Er schien auch mittlerweile gelegentlich den Wassernapf selbständig aufzusuchen. Ich beobachtete ihn dabei, wie er versuchte, ins Klo zu hüpfen. Er wirkte nicht mehr so abwesend, war agiler, wechselte die Position, die Stelle, reagierte mehr auf Ansprache, er versuchte eigenständig zu fressen und zu hoppeln. Ich verteilte die Nahrung überall im Gehege, so dass er jederzeit die Möglichkeit hatte, von sich aus an das Futter zu kommen, und die nutzte er auch zunehmend. Selbst der Tierarzt war erstaunt und hätte diese Entwicklung nicht für möglich gehalten. Heino stabilisierte sich, und seine Mädels ließen wieder Körperkontakt zu. Er nahm bis zu seinem Ausgangsgewicht zu und seine Kopfschiefhaltung verbesserte sich, wobei er eine leichte Neigung beibehielt.
Trotzdem war Heino nach dem Ausbruch der Krankheit nicht mehr derselbe. Er wirkte oft abwesend; seine Bewegungen und sein Reaktionsvermögen schienen verlangsamt, und ich hatte den Eindruck, dass sein Sehvermögen bzw. sein Blickfeld eingeschränkt waren, und auf Ansprache reagierte er verzögert. Er war schreckhafter, aber auch zutraulicher, ließ Streicheleinheiten mehr zu. Heino entwickelte in den Folgemonaten eine Trübung, einen weißen Fleck im Auge (Phakoklastische Uveitis – https://kaninchenberatung.de/gesundheit/augenerkrankungen/). Auch hier waren regelmäßige Kontrolluntersuchungen und eine Behandlung notwendig.
Ende 2022 wurde eine Spondylose diagnostiziert. Zwischenzeitlich gab es den Verdacht eines erneuten E. C.-Ausbruchs, der sich jedoch nicht bestätigte. Der Verlauf der Spondylose war schwer, und Heinos Zustand verschlechterte sich, die Nahrungsaufnahme verweigerte er zum Schluss ganz, sodass er am 23.03.2023 erlöst wurde und er seine Reise über die Regenbogenbrücke antreten konnte. Der kleine tapfere Heino wurde 9 Jahre alt.
Zwergkaninchen Heino hat einen schweren Verlauf hinter sich. Hier ist er auf dem Weg der Besserung: Obwohl die Kopfschiefhaltung noch deutlich zu bemerken ist, frisst er wieder selbstständig.
Heino mit seinen Partnerinnen Lucy und Amy. Während der schweren Phase hielten sie Abstand, doch später war er wieder liebevoll integriert.
Ein Erfahrungsbericht der lieben Bettina