Augenerkrankungen

Anatomie

Durch seitlich am Kopf anliegende Augen besitzen Kaninchen ein Blickfeld von fast 360°. Bewegungen können auch auf große Distanz wahrgenommen werden, wobei lediglich die Sehschärfe begrenzt ist. Auch in der Dunkelheit können sich die Tiere gut orientieren.
Kaninchen weisen des Weiteren Besonderheiten im Tränennasenkanal (TNK) auf: Dort befindet sich eine Erweiterung durch den so genannten Tränensack, welcher bei Entzündungen auch schnell eitrig werden kann.

Symptome

Je nach Art und Ursache der Erkrankung können verschiedene Symptome auftreten:

  • Augenausfluss (serös [aus Blutserum bestehend] bis eitrig)
  • Trübungen des Auges
  • Blepharospasmus (Augenlidkrampf)
  • Photophobie (gesteigerte und damit schmerzhafte Lichtempfindlichkeit)
  • Schwellung von Lidern und Konjunktiven (Bindehaut)
  • Vergrößerung/Hervortreten des Bulbus (Augapfel)

Medikation (allgemein)

Für den lokalen Einsatz eignen sich je nach Erkrankung des Kaninchens Augentropfen oder Augensalben. Bei infektiösen Veränderungen der vorderen Augenabschnitte ist der Einsatz von Antibiotika (AB) nötig. Bei einer Betroffenheit der hinteren Augenregionen ist der zusätzliche systemische Einsatz von AB notwendig, d.h. das ein Medikament zusätzlich oral verabreicht oder gespritzt wird. Zu beachten ist hier, dass sowohl lokal als auch systemisch immer die gleichen Wirkstoffe verwendet werden.
Nicht infektiöse Erkrankungen werden mit kortisonhaltigen Medikamenten behandelt. Darunter fallen beispielsweise Traumata (Verletzungen durch äußere, physikalische oder chemische, Faktoren), Allergien und Narbenbildungen.
Bei Kornealäsionen, also Störungen der Hornhaut, dürfen jedoch keine kortisonhaltigen Medikamente verabreicht werden, da sie die Hornhaut zusätzlich verletzen können.
Bei Erkrankungen des Auges ist des Weiteren häufig der TNK betroffen, weshalb es wichtig ist, dass dessen Durchgängigkeit vom Tierarzt überprüft wird. Mithilfe einer Braunüle wird der TNK dabei durchspült. Klar austretende Flüssigkeit weist auf ein gesundes Tier hin, während trüber Ausfluss auf eine entzündliche Erkrankung schließen lässt. Auch wenn der TNK verstopft ist, ist die Gabe von AB notwendig.
Ebenfalls erforderlich ist eine regelmäßige Kontrolle der Zähne, da auch falsch wachsende oder nicht abgenutzte Zähne zu Augenerkrankungen beitragen oder diese sogar verursachen können.
Augenausfluss ist entweder ein Zeichen für eine vermehrte Tränenproduktion oder für eine Abflussstörung.
Die in der Regel traumatischen oder infektiösen Erkrankungen können die Augen primär oder sekundär betreffen. So führen Schnupfenerkrankungen beispielsweise häufig zu sekundären Erkrankungen der Augen. Ein wichtiger Hinweis hierauf ist die ein- oder beidseitige Erkrankung der Augen. Sind beide Augen betroffen und weisen Veränderungen auf, deutet dies auf eine Infektion hin, zum Beispiel mit zuvor erwähnten Schnupfenerregern.
Bei auftretenden Trübungen der Augen ist entweder die Hornhaut oder die Linse betroffen. Des Weiteren tragen entzündliche Prozesse oder Korneaödeme (Quellung der Hornhautzellen) zu einer Trübung der Hornhaut bei.

Mögliche Augenerkrankungen und Therapiemöglichkeiten

Konjunktivitis:
Die Konjunktivitis, umgangssprachlich besser bekannt als Bindehautentzündung, ist eine der häufigsten Augenerkrankungen beim Kaninchen. Die Ursachen für diese Erkrankung sind vielfältig. Durch Zugluft oder ammoniakhaltige Luft (z.B. bei selten gereinigten Käfigen/Toiletten) sind die Augen einer stetigen Reizung ausgesetzt, welche dann zu einer Entzündung führen kann. Aber auch Kratz- und Bissverletzungen oder eindringende Fremdkörper wie Heu oder Einstreu, können zu einer Erkrankung führen. Auch bei Infektionen wie Myxomatose oder einem entzündlichen TNK kann eine Konjunktivitis als Sekundärmerkmal auftreten. Zu Erkennen ist diese Krankheit an serösem bis eitrigem Ausfluss und geröteten Augen. Zudem kneifen die Tiere die Augen oftmals zusammen oder halten sie geschlossen.
Eine Konjunktivitis wird je nach Ursache behandelt. Bakterielle Infekte müssen mit antibiotischen Augenpräparaten behandelt werden. Bei auftretenden Allergien oder stumpfen Traumata sollten kortisonhaltige Medikamente verwendet werden. Beiß- und Kratzspuren oder Fremdkörper erfordern ebenfalls eine antibiotische Behandlung, bei einer intakten Hornhaut werden gegebenenfalls zusätzlich kortisonhaltige Mittel verwendet.

Dacryocystitis:
Eine Dacryocystitis bezeichnet die Entzündung des TNK, welche durch Zahnerkrankungen oder Infektionen ausgelöst werden kann. Oftmals entsteht sie sekundär nach der Konjunktivitis, Kaninchenschnupfen oder Zahnproblemen. Das betroffene Auge tränt vermehrt und weist eitrigen, milchig-trüben Ausfluss auf. In besonders schweren Fällen quillt zudem zäher Eiter aus den Öffnungen des TNK.
Zur Behandlung sollten antibiotische Augentropfen verwendet werden, da Augensalben aufgrund ihrer Konsistenz leicht zu Verklebungen führen können und somit eher kontraproduktiv sind. Zudem sollte der TNK regelmäßig (alle 2-3 Tage) gespült werden. Nach erfolgreicher Therapie ist der TNK frei und die Spülflüssigkeit klar.
Sollten die Zähne die Ursache für diese Entzündung sein, ist es ratsam mit dem Tierarzt über eine Behandlung oder Entfernung der entsprechenden Zähne nachzudenken, da die Dacryocystitis auch chronisch werden kann.

Keratitis:
Eine Keratitis bezeichnet die Erkrankung der Hornhaut. Diese entzündet sich infolge von Eiteransammlungen, die durch andere Krankheiten entstehen (Konjunktivitis oder Entzündung des TNK) oder durch stumpfe und spitze Traumata, sowie die Einwirkung von Fremdkörpern ausgelöst werden können. Gelegentlich kann auch ein Entropium (Einwärtsstülpung des Lidrandes) für die Entzündung der Hornhaut verantwortlich sein. Symptome für eine Keratitis sind Augenlidkrampf, eine gesteigerte Lichtempfindlichkeit oder die Symptome der oben erwähnten Erkrankungen.
Für die richtige Diagnose muss eine Fluoreszeinprobe durchgeführt werden. Die Intaktheit der Hornhautoberfläche wird dabei durch das Einträufeln von Fluorescein in den Bindehautsack getestet. In der Regel nutzen die Tierärzte dazu einen speziellen Teststreifen, welchen sie kurz an das Auge halten. Bei einer Verletzung fluoresziert das Auge.
Zur Behandlung wird das Auge zunächst gesäubert und von Fremdkörpern befreit. Je nach Art und Ursache der Erkrankung werden dann entweder kortisonhaltige (stumpfe Traumata und intakte Hornhaut) oder antibiotische (Infekte, spitze Verletzungen) Medikamente und reepithelisierende Salben, verabreicht. Da die Keratitis für die Tiere sehr schmerzhaft ist, werden zusätzlich schmerzlindernde Tropfen oder Salben gegeben.

Uveitis:
Bei einer Uveitis sind die verschiedenen Abschnitte der Chorioidea (Aderhaut) in Mitleidenschaft gezogen. Eine beidseitige Erkrankung der Augen weist auf eine Allgemeininfektion (beispielsweise Kaninchenschnupfen) hin, einseitige Veränderungen auf Traumata. Die Symptome sind ähnlich der Keratitis, weiterhin ist die Iris verdickt und oft besteht eine Miosis, eine Engstellung der Pupille. Auch die Hornhaut kann getrübt und die Kammerwasserproduktion vermindert sein, weshalb auch der intraokuläre Druck (IOD; „Augeninnendruck“) sinkt.
Bei infektiösen Ursachen eignen sich antibiotische Augensalben zur Behandlung, zudem sollten die Tiere 1%ige Atropin-Präparate bekommen, um Schmerzen zu mindern und weiteren Veränderungen vorzubeugen. Wenn beide Augen erkrankt sind muss zusätzlich ein systemisches AB verabreicht werden.
Traumatische Veränderungen werden mit kortisonhaltigen Präparaten behandelt, entzündungshemmend wirkt ein Prednissolonacetat.

Phakoklastische Uveitis:
Diese Form der Uveitis wird durch eine Infektion mit Encephalitozoon cuniculi (E.c.) ausgelöst. Dabei wird die Linse des Auges von dem E.c.-Erreger besiedelt, wodurch es zu einer Linsenkapselruptur (Gewebszerreißung) kommen kann, welche das austretende Linsenprotein zerstört und unbrauchbar macht. Sichtbar wird dieses Phänomen durch weißliche Fäden oder Massen in der Augenkammer. Das Protein wird hierbei als körperfremd angesehen, wodurch reaktive Entzündungserscheinungen entstehen. Durch einen gestörten Kammerwasserabfluss kann zudem ein Glaukom ausgelöst werden.
Zusätzlich bestehen die typischen Uveitissymptome, wobei das Allgemeinbefinden der Tiere in der Regel völlig unauffällig bleibt. Abgesehen von der Augenuntersuchung sollte bei oben genannten Symptomen zudem ein Blutbild erstellt und eine neurologische Untersuchung durchgeführt werden. Auch die Nierenwerte des Tieres sollten überprüft werden, da Infektionen mit dem E.c.-Erreger oftmals zu chronischen Niereninsuffizienzen führen können.
ACHTUNG: Es ist darauf zu achten, dass die weißen Fäden oder Massen nicht mit Abszessen verwechselt werden! Die phakoklastische Uveitis ist häufig der einzige klinische Hinweis auf eine Enzephalitozoonose und weist auf eine frühe intrauterine Infektion hin, d.h. auf eine Infektion, die bereits in der Gebärmutterhöhle stattgefunden hat.
Ziel der Behandlung ist eine Beseitigung der reaktiven Entzündungserscheinungen. Das abgestoßene Linsenprotein bleibt aber in der Regel unbeeinflusst und somit weiterhin sichtbar.
Zur systemischen und lokalen Behandlung eignen sich AB mit den Wirkstoffen Enrofloxacin, Chloamphenicol und Azidamfenicol. Kortisonhaltige Medikamente, z.B. Dexamethason und Prednisolonacetat, Atropin 1%-Präparat und ggf. ein systemisch wirkendes Analgetikum.

Glaukom:
Diese Erkrankung ist besser bekannt als grüner Star. Der Augeninnendruck erhöht sich durch das Auftreten von Abflussstörungen des Kammerwassers, die wiederum durch Ablagerungen von Zelltrümmern und Fibrin auftreten, auf > 25-30mmHg.
Sichtbar wird ein Glaukom durch eine ausgeprägte Außenwölbung des Auges. Dabei bedeutet der erhöhte Druck für das Kaninchen ständige Schmerzen! Da die Kaninchen diese aber nicht deutlich zeigen und dadurch meist zu spät zum Tierarzt gebracht werden, ist der Augeninnendruck häufig nicht mehr durch lokale Medikation kontrollierbar.
Der Tierarzt verfügt über Medikamente zur Drucksenkung, um den Tieren die ständigen Schmerzen zu ersparen, ist die Entfernung des Auges allerdings häufig ratsamer.

Exophthalmus:
Der häufigste Grund für diese Erkrankung ist ein durch Zahnerkrankungen ausgelöster retrobulbärer Abszess (ein Abszess hinter dem Augapfel). Dadurch kommt es zum ein- oder beidseitigen Vortreten des Augapfels aus der Augenhöhle, der sogar bis zur Unmöglichkeit des Lidschlusses führen kann. Durch ständig geöffnete Augen erfolgt jedoch ein Austrocknen der Hornhaut.
Zur Diagnose müssen vor allem die oberen Backenzähne kontrolliert werden, zudem ist es wichtig den Kopf des Kaninchens in zwei Ebenen zu röntgen, um Zahn- und Knochenerkrankungen in Gänze erkennen zu können.
Leider ist die einzig sinnvolle Therapie eine Entfernung des betroffenen Auges, sowie des Zahns, der den Abszess verursacht hat. Die Tränendrüsen müssen außerdem komplett entfernt werden, da es ansonsten nicht zu einer Abheilung kommen kann. Nach der Entfernung des Abszesses sollte die Wunde gespült und eine Drainage gelegt werden, damit das Ablaufen der Wundflüssigkeit ermöglicht wird. Nach zwei Tagen wird die Drainage wieder entfernt und die Wunde bis zur vollständigen Heilung weiterhin alle zwei Tage gespült. Über einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen müssen die Tiere außerdem mit einem AB versorgt werden, dass knochengängig ist. Außerdem sollten die Tier mit einem Analgetikum behandelt werden. Zur gezielten Therapie ist es ratsam Teile des Abszesses im Labor untersuchen zu lassen.

Nickhautdrüsenhyperplasie:
Durch diese Krankheit kommt es zu einer Vergrößerung des so genannten dritten Augenlids. Die häufigste Ursache ist chronischer Kaninchenschnupfen, wobei in selteneren Fällen auch Traumata verantwortlich für eine starke Schwellung sein können. Das Auge zeigt hierbei Rötungen und der Lidrand weist eine weiche Konsistenz auf. Bei Traumata tritt die Schwellung sehr schnell und akut auf, ansonsten vergrößert sich die Drüse nur schleichend. Durch eine Behandlung mit AB kommt es zu einer Abschwellung der Nickhautdrüse, allerdings bleibt sie oftmals leicht vergrößert. Ebenso unterstützen Paraimunitätsinducers wie die Heilung.
Zur Behandlung von Traumata ist wiederum die Gabe von Kortison erforderlich.
Bei einer Nickhautdrüsenhyperplasie eignen sich Augensalben übrigens besser als Augentropfen, da sie ein Austrocknen der Schleimhäute verhindern.

Katarakt:
Bei einem Katarakt handelt es sich um grauen Star, womit alle Formen des Durchsichtigkeitsverlustes der Augenlinse oder ihrer Kapsel gemeint sind.
Grauer Star kann verschiedene Ursachen haben, weshalb eine richtige Diagnose notwendig ist um ggf. gegen weitere Erkrankungen vorgehen zu können.

Man unterscheidet:

  • Senile Katarakte, also ein langsames Erblinden aufgrund von Alterserscheinungen
  • Diabetes mellitus
  • Encephalitozoon cuniculi (E.C.)

Die Symptome für diese Erkrankung äußern sich durch Linsentrübungen unterschiedlichen Grades. Bei Diabetes mellitus kommt es zudem zu schnellem Gewichtsverlust. Für eine genaue Diagnose sind ein Blutbild und eine Harnuntersuchung notwendig.
Grauer Star ist bis heute nicht heilbar, allerdings ist eine Behandlung der Primärerkrankungen (Diabetes m., E.c.) erforderlich.

Wo finde ich Hilfe?

In Deutschland gibt es mittlerweile einige Tierärzte mit einer Zusatzausbildung zur Augenheilkunde, von denen sich einige auch auf das Gebiet der Ophthalmologie spezialisiert haben.
Unter folgendem Link finden sie eine deutschlandweite Liste dieser Tierärzte:
Liste Augenheilkunde
Diese Praxen verfügen über spezielle Geräte, die ihnen eine gezielte Diagnose ermöglichen. Zur Untersuchung der direkten Augenumgebung und der vorderen Augenabschnitte wird ein Biomikroskop (Spaltlampe) verwendet. Mit diesem Gerät wird das Auge zum einen stark vergrößert dargestellt und zum anderen wird durch einstellbares Licht sogar die Untersuchung der hinteren Regenbogenhaut ermöglicht.
Ein weiteres Instrument, welches einem Thermometer ähnelt, dient der Messung des Innenaugendrucks.
Eine Ophthalmoskopie bezeichnet die Untersuchung der Netzhaut (der hinterste Augenabschnitt). Spezielle Ultraschallgeräte werden bei starken Trübungen verwendet, die einen Einblick hinter den getrübten Augenbereich ermöglichen.
Genannte Methoden und Instrumente sind für die Tiere nicht schmerzhaft, aufgrund der Empfindsamkeit der gesamten Augenregion verwenden Mediziner jedoch häufig ein Lokalanästhetikum, welches auf das Auge getropft wird und es somit betäubt.

Schlusswort

Dieser Infotext soll einen Einblick in die Vielzahl der Augenkrankheiten ermöglichen, die unseren Langohren widerfahren können. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um Informationen für ein besseres Verständnis der Materie – ein Besuch beim Tierarzt ist grundlegend immer notwendig und Selbstmedikation kann schwere Schäden anrichten. Auch wenn die Diagnosen häufig fatal klingen, kann eine richtige Therapie die Tiere wieder beschwerdefrei machen. Kaninchen können sowohl mit einem Auge, als auch blind sehr gut leben. Besonders bei blinden Tieren ist die Orientierung am Partnertier übrigens äußerst wichtig, das Gehege sollte zudem ausreichend gesichert sein und das Zuhause der Tiere sollte nicht grob verändert werden, da die Langohren sich in gewohnter Umgebung besser orientieren können.
Sollten Sie weitere Fragen haben, können sie uns gerne kontaktieren.

 

Quellen: „Leitsymptome beim Kaninchen. Diagnostischer Leitfaden und Therapie.“ von Anja Ewringmann; Enke; Auflage: 1 (Dez. 2004). S. 47- 63

www.msd-tiergesundheit.de
www.vu-wien.ac.at/chirurgie/ueber-uns/spezialkliniken/augenheilkunde/augenerkrankungen/
https://www.gesundheit.de/roche/
https://www.tieraugendoktor.de/6.html